Vergangenheitsnarrative – Narrations of the Past

Die Referenten der Sektion Foto:kk

Die Referenten der Sektion. Foto:kk

Auf welche Weise konstruieren Zeitzeugen ihre Erfahrungen zu sinnvollen Lebensgeschichten? Und welche Rolle spielt die Rekonstruktion von Vergangenem für die individuelle und kollektive Sinnstiftung?

Diesen Fragen stellten sich am Morgen in der Sektion „Vergangenheitsnarrative“ vier Wissenschaftler/innen, die an englischen Universitäten forschen und mit ihren jeweiligen Vorträgen Zwischenergebnisse ihrer Forschungsprojekte präsentierten. Alle Beiträge vereinten, dass sie sich mit    verschiedenen Vergangenheitskonzepten nach 1945 beschäftigten und dass sie Antworten auf die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Geschichtsinterpretation, Identitätskonstruktion und Vergangenheitsnarration einzelner Beispiele suchten.

Bill Niven nahm sich der Literatur zur Flucht und Vertreibungs- Thematik an. Er erforscht, wie das kollektive Gedächtnis an die ehemaligen deutschen Ostgebiete, als auch an die Flucht und Vertreibung der Deutschen durch Bücher in der BRD geprägt wurden. Die Darstellung und Rezeption  der deutschen Vertreibungsthematik wurde oft als Tabu angesehen, und vorhandene Literatur - meist Erfahrungsberichte in Form von Romanen, wurde als Trivialliteratur abgetan. Doch laut Bill Niven ist dieses Tabu nie vorhanden gewesen, das Thema Vertreibung war in der deutschen Literatur durchweg präsent seit den 50er Jahren. Notwendig wäre deswegen eine Morphologiegeschichte der Flucht- und Vertreibungsliteratur.

Julia Riddiford referierte anschließend über Vergangenheitsnarrative, die bei Naziprozessen entstanden sind und den Nachweis der individuellen Schuld an den NS-Verbrechen liefern sollten. Insbesondere ging sie auf die Vergangenheitsnarrative ein, die entweder von sogenannten Nazijägern, also privaten Akteuren selbst verfasst wurden oder in denen Nazijäger als Protagonisten auftraten. Bekannte Vertreter waren u.a. Simon Wiesenthal oder Hermann Langbein, die vor allem in ihrer Zusammenarbeit mit den Medien, die öffentliche Auseinandersetzung mit den Tötungsverbrechen des Nationalsozialismus vorantrieben.

Anhand eines Einzelschicksals, der Erinnerungen des ostdeutschen Journalisten Bernt von Kügelgen, untersucht Christiane Winkler Heimkehr- Erinnerungen. Das Buch „Nacht der Entscheidung“ von Kügelgen ist 1983 in der DDR und ein Jahr später in der BRD erschienen und ist eine antifaschistische Konversionserzählung eines ehemaligen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkriegs. Winkler setzte sich mit dem autobiographischen Text intensiv auseinander und sieht darin ein prozesshaftes und kollektives Erinnerungskonzept. Denn Erinnerung ist für Winkler nur als vielschichtiges Erinnerungsnetzwerk zu verstehen, dass gemeinsam konstruiert wird.

Unter dem Thema die „Ungleichheit des Gleichzeitigen“ beschäftigte sich Mary Fulbrook mit der Bedeutung von Generation als Begriff und dem Verständnis von Generationen als Konstruktionen. Die renommierte Deutschlandkennerin vom University College London sprach über gemeinsame Herausforderungen in einem bestimmten Lebensalter und (militärische/politische) Mobilisierung von Menschen am Beispiel der Entwicklung der Kriegsjugendgeneration, sowie der ersten und zweiten Generation der Hitlerjugend. Fulbrook plädiert dabei dafür, dass strukturelle Analysen wie Geburtskohorten mit lebensgeschichtlichen Vergangenheitsnarrativen zusammen gebracht werden müssen, um die Geschichte zu verdeutlichen.
Bei der folgenden Diskussion moderierte Christiane Winkler, wo abschließende Fragen geklärt werden konnten, aber hauptsächlich Lob für die Vortragenden ausgesprochen wurde.

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